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Quelle angeregt worden; was Wunder also, wenns alle Ströme nnd Brun- nen, die daher stammen-, zu- gleicher Zeit anschlagen? Deutschland-;- bisher- wenig mit seinen allgemeinem historischen Interessen beschäftigt , greift seit- Anfang dieses Jahrhunderts ins seine, lange Zeit fast-verschollene, Vergangen- heit zurück.
Die Poesie, in solchen Dingen von sschöpferischer Gewalt, hat« es dar- g-ethan, daß ihre wahre und echte Lebenswurzel mit dem vaterländischens Boden eins ist« Dieser allgemeine Aufschwung des deutschen Geniuss«-, den wir zunächst dem wissenschaftlichen Geiste, dann der frühern, hochbegeisterten Romantik, und dem an großen, volksthümlichen Eharakteren so sruschtbarems Befreiungskriege verdanken, regt sich allmälig selbst- bis in die- letzten Glie- der von- Deutschlands Grenzgebietenz es ist- in· den verflossenen Jahrzehe-ndens" ein Aufguß neuer Lebenskraft über den vaterländischen Boden geschüttet, der schnell und mit Nothwendigkeit die letzten Fibern des Nervengewebes erreicht-,- in das der germanische Geist sich verzweigt hat.
Ein solches Aufthauen, ein solcher energischer Anklang des· deutschen Bewußtseins, das gesunde Keimen aller Kräfte, welche in den Schachten seiner Geschichte und seiner Natur liegen, dürfen wir wohl als ein« Vorzei- chen einer umfassenderen, geistigen Befruchtung der europäischen Länder anse- hen. Jn der Art hat unser Vaterland von jeher auf die umliegenden Staa- ten gewirkt. Als Centralkörper berufen, die allgemeine Ordnung unter den europäischen Mitstaaten an. sein eignes Gewicht zu knüpfen, hegt es« doch zu- gleich in sich den ·entfchiedensten Trieb nach Jndividualisirung, nach freier-, gleichsam centrisugaler, Entbindung der Theile; sein— Einfluß wird deßhalb auf die Nachbarländer ein ganz-. anderer sein, als jener, wie ihn Frankreich- im Wege der Waffeneroberung und der Ausmerzung lebenvoller Unterschiede, ausgeübt hat , und wir zweifeln nicht, daß ein anregender, entwickelnder, und ebendeßwegen ein geistiger, sich zeigen wird. Wenn andere Völker die See -überf«chiffen, um Colonien zu Nutzen des äußern Lebensbedarses anzulegen, so hat Deutschland-, wie es scheint, den schwierigern Beruf, die Pflanzstädte der Wissenschaft, der schönen Literatur, und der Kunst auf dem befreundeten Nach- barboden zu gründen. Die Zeit kann nicht fern sein, wo dieß, vielleicht ohne Wissen und Willen der Völker, ins Leben treten wird. Für’s Erste müssen die Völkerschaften sich besinnen, ihrer selbst, ihrer verlebten Jahre, ihrer gewon- nene-n Erfahrungen inne, ihrer natürlichen, innern und äußern, Anhaltspunete gewiß werden. Aus der Betäubung, womit das vorige Jahrhundert schloß, und das jetzige anhob, muß sich die Klarheit des. nationalen Willens und Wis- sens emporringen. Daher, in unsern Tagen, wenig so erfreuliche Erscheinun- gen, als das Erstehen heimathlichen und vaterländischen Sinnes, nichts kern- hafter und ersprießlicher, als das Wachsthum jener edlen Bürgerkraft, die in