6

- -.-—-.v-·

er hat auch all das Große geschaffen, was man an tiefer Nation be- wundert. Jn dieser Beziehung aber stehen die wallonischeu Provinzeu weit näher zu Deutschland als zu Frankreich. Diese Anhänglichkeit für ihre alte Comuumaleinrichtuug, diese unbeugsame Liebe für ihre provin- zielle Verfassung und Ehre, haben Lüttich und Gent oft genug mit ihrem Blute bezahlen müssen. Und ist dieß nicht das Hauptmotiv, das gemein- schaftlich Nationalc, was Flamänder und Walloneu an einander kettet? Die Raeen, die Sprachen haben nichts Gemeinschastliches, aber die Geschichte, die Liebe zu ihrem Glauben, zu ihren Sitten, Verbindet sie, und wie oft auch die Wellen der Verhältnisse über sie zusammenschlugen, immer tauchten sie Hand in Hand wieder auf. Der große Mißgriff der holländischen Re- gierung bestand eben in nichts anderem, als darin, daß sie das germanische Wesen einzig und allein an Wort und Sprache gebunden glaubte, nnd ein Centralifatirnisshstem einführte, gegen welches der innerste Sinn des Jolkes sieh sträubte. Hätte jene Regierung der provinziellen Sitte, Mundart und Eigenthümlichkeit der belgischen Provinzeu, mehr Geltung zugestanden, wäre sie dem Beispiele gefolgt, welches das staatskluge Oesterreich in früheren Zeiten hier gegeben, dann hätten die Niederlande, trotz aller inneren Ver- schiedenheit, ein festes äußerliches Band gebildet, wie dieß ja eben bei dem mächtigen österreichischen Staatslörper der Fall is«. Aber jene Regierung wollte einen eentralisirten Staat sich schaffen , sie wollte Eine Sprache, Einen Charakter allen seinen Theilen aufprägen, sie wollte einen französischen Staatsgrnndsatz auf einem Boden einführen, der in feiner langen Verbin- dung iuit dem deutschen Reich seine Selbststäudigkeit geschont zu sehen ge- wohnt war —— nnd das war die Klippe, an welcher sie straudete.

An dieser Klippe muß aber auch Frankreich scheitern, sobald es- die Hand erobernd aus-strecken will. Man weiß hier aus früherer Erfahrung, welche traurige Last es ist, eine französische Departementsstadt zu sein. Man will in Belgien keine Haupt- und Centralstadt wie Paris. Die mit jedem Tage zimehmende Bevölkerung drüssels wird sogar von den Kammern nicht ohne Besorgniß betrachtet , nnd wir könnten manches Beispiel eitiren, wie man beinühet ist, die Oberherrschaft der Hauptstadt unmöglich zu machen. Man bemerke nur den stürmisch begeisterten Tou, mit welchem die junge Literatur-, die seit einigen Jahren in Bclgien sich erhebt, von ihrer nationa- len Unabhängigkeit spricht, ihre Anknüpfung der "alten Gefchichten des Landes, die wahrhaft rührenden Anstrengungen zur Stärkung eines selbstständigen Geistes, und man wird die 1.Ieberzeugung gewinnen, daß es mit dieser Liebe zur Nationalität ein heiliger, ungehenchelter Ernst ist. Allerdings ist es möglich, daß das materielle Interesse des Landes, der Mangel an Aussuhr- kanäleu u. s. w., zu einem Vertrag mit Frankreich es nöthigt; doch dürfte