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sind es, die uns mangeln, aber die moralische Krastz Schriftsteller und Gelehrte haben wir genug, was uns fehlt, das sind —- Characteret

Darum muß das Publikum-.Menschenalterzhindurch über sich ergehen lassen, Von den Frankfurter Blätternwider Willen zum theilnahmlosen Richteramte in allen Theater- kabalen gezwungen zu werden. Truppweis tauchen die ärmlichen Winkelblättchen auf, welche Von diesen Magerkeiten zehren, erregen drei« oder Vier Scandale, wodurch sie sich auf einige Tage zum Gegenstandemüfigen und höhnischen Geredes machen, und siechen Zdannlanfgsam und elend wieder hin.« zSo ist unlängst einer dieser Redacteure zu einem Kunstgärtner in die Lehre gegangen, und daran hat er wohl gethan und das macht ihm Ehre. »Wer so über das'Theater«sprechen will, wie es erforderlich ist, um dessen Bezie- hungenzum nationalen Leben und zur obwaltenden Geistesrichtung darzustellen, ohne zu- gleichdäs --ob"jeetiV-«kiinstlerische Moment aus den Augen lzu,«Verlie«ren, derbedarf mehr »als die innere, leicht über Alles hinfließendezAutodidarie der meisten Theaterrecensenten. Von mehr als bloß dramaturgischemund schön·-lite«rarischem Interesse ist es,- daß einer der schön- listen deutschen.jStoffe, ein ächt nationales Thema, die rührende Episode der Agnes Ber- nauerin, Von einem jungen rheinisehen Dichter aus geniale Weise bearbeitet, auf den Bret- tern erschienen ist. Dem, der das Veraltete gleichnamige Stück kennt, must es Von doppel- tem Jnteresse sein, die jugendliche Frische und wahrhaft dramatische Auffassungsweise Von Ludwig Braunfels kennen zu lernen.

Es liegt nicht in unserem Bereiche, Theaterkritiken zu schreiben, und wir können uns auf die Details dieser Dichtung nicht einlassen. Die Manifestation, welche durch '-die« lebhaften Beifallsbezeugungen, und am Schlusse durch das Hervorrufen des Dich- »ters, gegeben wurde, mag am lebhaftesten dafür sprechen, daß es sich hier nicht um eine iiener nnpkaktischen Produktionen handelt, denen der LebensnerV mangelt, welcher —- man mag sagen, was man wolle das nächste Ziel desDramatikers sein muß: die Dar- stellbarkeit, die Einwirkung auf Ohr und Auge. Die Schaubühne und die Rednerbiihne sind bedeutende Maßstäbe fiir die Politische Stärke eines Volkes. Je Vollpulsiger, ein- heitlicher, und sich selbst bewußter die« Nation ist, um so blitzender seine Redner, um so schlagender seine Dramen. England und Frankreich sind eben so reich an guten Rednern, wie lan guten Theaterstüekjen, und kaum hebt sich in neuester Zeit in Deutschland ein hö- heres Nationalbewußtsein, so tauchen Von allen Seiten dies jungen dramatischen Kräfte auf : Gutzkow, Mosen, Braunfels, Rost, Laube u.·s. w. Jn Berlin werden Reden gehal- ten an Welker, an Tiek, bei den Eisenbahneröffnungen werden Reden gehalten, der König- an den die neuesten deutschen Hoffnungen sich lehnen, tritt selbst als Redner auf. Alles will zum Volke sprechen, Dichter und Politiker, alles will auf die Masse wirken, und diese beginnt sich zu fühlen, sie begreift die Wichtigkeit ihrer moralischen Person, und. wird er- regter, bewußter, kräftiger. Nehmen wir die neuesten Bestrebungen der jungen Dramati- ikek Uscht auf die leichte Achsel, sie sind bedeutend für die deutsche Entwickelung,

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