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ausgebeutet. Wir sind gewiß keine Freunde Von einer Beschränkung der Presse, welcher Art sie auch sei. Jst aber in einem Lande der Grundsatz einmal aufgestellt, daß die Erzeugnisse des Buchdrucks überwacht werden müssen, dann wahrlich Verdient das Buch jenes unglückseli- gen Weibes Vor allen andern den hemmenden Bannstrahl. Haben sich doch sogar hier Vielfache Stimmen gegen den Erlan dieser nichtswiirdigen Art Von 5publication erhoben.
Es ist uns nicht darum zu thun, heißt es in einem dieser Artikel, über die Schuld oder Unschuld der Mad. Lafarge zu entscheiden ; ebenso wenig wollen wir untersuchen, ob ihr Buch geistreich sei oder nicht; wir fragen nur, ob die Regierung das Recht hatte, die Veröffent- lichung eines Juehes geschehen zu lassen, Vor welchem als Vorrede eine Verurtheilnng zu Zwangsarbeiten steht.
Das Recht, seine Gedanken öffentlich auszusprechen, kommt den Franzosen zu, aber nicht den Galeerengefangenen, die keinem Lande mehr angehören, sobald die Hand der Gerechtig- keit sie getroffen hat.
Diese Memoiren enthalten nicht die schmerzliche und Theilnahme sordernde Vertheidi-s gung einer Fran, die ihre Unschuld erkräftigen will. Es ist diese Schrift Vielmehr eine elende, straflose Nache, welche hinter den Gittern eines Gefängnisses Schutz findet.
Was einem Schriftsteller einen höhern Charakter Verleiht, ist die Verantwortlichkeit- welche er Vor der Welt und Vor den Gesetzen übernimmt. Der Fall, Von dem wir hier reden, ist eine Entheiligung des Rechts der freien Mittheilung.
Die Gerichte haben der Mad. Lafarge nicht erlauben wollen zu sagen, was sie jetzt schreibt. Jst dadurch nicht die Gerechtigkeit selbst, der frühere Ausspruch der Richter Verhöhnt2
Die Herausgabe eines Werkes kann nicht ohne mancherlei Verkehr, ohne Unterhandlung mit einem Verleger, einem Drucker, statt finden; da giebt es ein Hin- und Hergehen, da läßt man sieh in Correspondenzen nnd allerhand mwermeidliche Geschäfte ein, wozu die zur Ve- wachung der Mad. Lafarge bestellten Leute die Hand haben bieten müssen. Dies ist nun ent- weder der Ordnung gemäß, oder es ist ein Ausnahmsfall. Jst es eine Ausnahme, so muß man fragen, wer sie bewilligt. Jst es ein Recht, so haben wir nichts mehr zu sagen. Jeder Streifling wird denn aus seinem Gefängniß deni Publikum die Geschichte seiner Empfindun- gen und die Apologie seiner Verbrechen hinwerfen können. Wahrlich, das wäre eine Litera- tur der Zukuan Wir haben eine klassisehe und eine romantische Literatur gehabt. Von nun an werden wir eine Zuehthaus-Literatur haben. —
Jules Janin hat bekanntlich gleichfalls einen fnlminanten Artitel gegen die Meinoiren dieser Gistmischerin geschrieben. Zufälligerweise findet es sich, daß der Feuilletonist der De- bats sich zu verheirathen gedenkt, und seine Verbindung mit der Tochter eines hiesigen bekann- ten Advecaten dieser Tage auf dem Hotel de Ville angezeigt hat. Dieß giebtzu allerlei schlech- ten und guten Witzen Veranlassung. Man sagt unter andern, wenn Madame Janin in den Verdacht käme, ihren Gatten Vergiftet zu haben, und man gezwungen wäre, seinen Leichnam zu öffnen, so wäre die arme Frau Verloren, denn indem Jnnern des boshaften Feuilletonisten würde man so Viel Gift sinden, um ganz Paris damit zn Vergifteri.