Börne in der letzten Zeit.
Ein Nachtrag von J. Kuranda.
Die Debatten über Börne sind geschlossen. — Die verschiedenen Gegen- sätze und Abstufungen der öffentlichen Meinung, von dem glühendsten En- thusiasmus auf der einen Seite bis herab zum tiefsten Haß auf der andern, haben sich allmählig zu einem harmonischen Gesammturtheile verschmolzen; das Standbild des edlen deutschen Tribunen ist in festen Umrissen rein und geläutert aus dem Gusse hervorgegangen und hat seinenunverrückbaren Platz in der Geschichte unserer nationalen Entwicklung erhalten.
Bei dem offenen Charakter , der aus seinem Leben wie aus seinen Schriften spricht, war eine längere Verkennung oder ein Hin- und Herden- ten , wie etwas bei Göthe, unmöglich und die einzelnen Schattirungen und Uebergänge, die- dem vollständigen Portraite etwa noch fehlten, hat Gutzkow’s Buch "—«mit Scharfsinn und einer fast wissenschaftlichen Genauigkeit herausge- stellt und ergänzt.
Vergessen wir auch das denkwiirdige Buch Heine’s nicht. Jch sage denkwürdig-,- weil eine Manifestation der deutschen Gesinnung ihm auf dem. Fuße folgte , die wir als einen der merkwürdigsten Momente .. der letzten Jahre betrachten.
Der deutsche Charakter, an und für sich zäh und in sich gekehrt, wird durch die äußeren Hindernisse, die er« durch Censurhemmung und Polizeiüber- wachnng erfährt, noch- mehr von jenen öffentlichen und lebhaften Aeußerungen des Nationalgefiihls, wie man sie in England und Frankreich sindet, zurück- gehalten. Wenn bei unsern Nachbarn jede innere nationale Strömung so- gleich ihre Wirbel bis auf die Oberfläche treibt, und man an dem Schäu- men und Branden der Presse und der Tribüne sogleich beurtheilen kann, Was in dem Schooße der Nation keimt, gährt·, oder aufgerieben wird- sp bietet-Deutschland im- Gegensatze oft Jahrelang den Anblick eines stillen ge- heimnißvollen Meeres, von dem man nicht weiß, welche Vegetatkvv Oder vuleanische Umänderung es in seinen Tiefen verbirgt. Nur seltån spaltet sich
4