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Aber noch ein zweiter Grund bewegt uns bei unserem l"lnterneh1uen, es ist dieses der Boden selbst aus dem diese Blätter hervorwachsen sollen- Belgien!

Als wir dem Titel dieser Zeitschrift, die Bezeichnung: «B"iätter fitr Deutschland nnd Be·lgien« hinznsiigten, so verhehlten wir nns nicht, das; wir gegen ein gewisses Vornrtheil zu kämpfen haben werden. So poetisch nnd Jnteresse erregend der Name Niederland dem Deutschen klingt, so fremdar- tig und unsicher scheint ihm der Name Belgien. An das Wort Nieder- land knüpfen sich gar thenre Erinnerungen der deutschen Geschichte Der deutsche Religionszwiespalt hat da seine heißesten Kämpfer gesunden, die deutsche Wissenschaft hat da ihre Grundstiitzen (Erasnnts, Jnstns Lipsius, Grotius, Spinoza, Vesal n. s. w.) gewonnen, die deutsche Kunst hat da ihre kräftigste Ammenmilch gesogen, nnd die deutsche Poesie hat daher auch diesen Namen zu ihrem Lieblingsfeld erhoben nnd Schiller nnd Göthe haben ihn ins Herz der begeisterten Jugend gelegt, die für Egmont und Posa schwärmt. Der Name Belgien aber —- so uralt das Wort auch ist —- steht doch andererseits zu jung und zu fremdartig dem Deutschen gegenüber, um ihm populär zu sein. Wir brauchen nicht erst auf die Ereignisse von 1830 hinzuweisen. Es ist leicht begreiflich, dasz Deutschland die Trennung der siidlichen Niederlande von den nördlichen mit Unmuth lustrachtetiy dasz es den Kopf schüttelte, da es die germanischen Elemente den gallischen wei- chen sah. Sein Interesse wendete sich seitdem mit ziemlicher Kälte von Belgien weg, und wenn die politischen Ereignisse es nicht zur Aufmerksamkeit nöthigten, wenn nicht Belgien selbst, durch seine Industrie, durch die glänzende Thätigkeit seiner Eiseuwerke ihm die Beachtung abzwang, da blieb es mißmu- thig mit dem Rücken ihm zugekehrt. Und wahrlich, es ist nicht gut, daß es so gekommen ist. Belgien hat in diesen zehn Jahren einen riesenhaften Fortschritt gethan, und Deutschland hätte mit mehr Aufmerksamkeit auf die- Entwickelung dieses Landes in Kunst und Gewerbe, in soeialer und· sogar in politischer Beziehung, manche schöne Erfahrung erwerben können.

Es ist ein gewöhnlicher Fehler , dafz man die französische Revolution von 1830 mit der gleichzeitigen belgischen zusannnenkettet, ohne zu betrach- ten, wie die Folgen beider ganz verschieden sind. Frankreich zielte im Jahr 1830 nach einer Repnblik nnd gelangte nur bis zu einer Veränderung der Dhnastie. Sein- Wille erfüllte sich nur halb, und die andere nicht erfüllte Hälfte blieb als ein klaffender Riß, als eine eiternde Wunde, welche an dem gesunden Theile des Staates zehrt nnd ihn nie zur Ruhe und gesun- den Entwickelung kommen läßt. Dieß ist keinesweges mit Belgien der Fall ; die Revolution von 1830 zielte hier nur nach einer Loslösung von dem holländischen Mitstaatez sobald dieses gegliickt war, und die Aufregung,