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tete- wendet sich nun, da ihm die Communieation mit dem Central-Meßplatz nicht mehr gesperrt ist, direct hierher, wo der allgemeine Zusamntensluß der Personen und Vorräthe ihm Absatz und Aequisition um Vieles erleichtern. Der Einfluß, den dieser Zudrang auf die Stadt hat, ist augenfällig. Ueberall steigen neue Häuser und Bauten, und dies Brust des alten Leipzig dehnt sich mit tiefen Athemzügen immer weiter und weiter-, um den neuen Frühling ein- zuhauchem Aber die Wichtigkeit, die der akademische Bürger, der studirende Bürger, der studirende Einwohner sonst hatte, tritt dadurch mit jedem Tage mehr in den Hintergrund.

Der Nutzen, den der Student abwirft, wird im Vergleich zu dem, den der Meßgast, der Jndustriemann, der Commis voyageur bringt, immer mi- nutiöser. Die akademische Jugend, der bei ihrer früheren Bedeutug die Fami- lienkreiseund gesellschaftliche Zirkel Viel offner standen , findet sich jetzt isolirter, auf sich selbst verwiesen, ein Umstand, der aus Sitten und Bildung unerquick- lich wirkt. Der Leipziger Universität entgeht dadurch ein Vorthei"i, der den in großen Städten sich befindenden Hochschulen, in Paris , Berlin re. gewöhnlich sehr zu Statten kömmt: das Verschmelzen der Schule mit dem Leben. Wenn- Scheidler in seiner Schrift, über das Universitätswesen, die kleinen Universitä- ten vertheidigt, so ist dieß eben nur eine Vertheidigung. Jn unserer Zeit, wo das ganze Leben sich immer mehr und mehr den großen Städten zuwälzt, da können die Universitäten nicht zurückbleiben. Jst es nicht auffallend, dasz wäh- srend in dem letzten Deeennium die Zahl der Studirenden an allen deutschen Universitäteu sich verminderte, sie in- Berlin um ein Jedeutendes gestiegen ist? Der Studsent,-der· mit der Gesellschaft iinZusatnmenhange lebt, hat weit mehr Rücksicht für seinen Ruf, für seine Unbescholtenheit, als der erilirte,- der in der Kneipe seine isolirte Erholung suchen muß. Man irrt, wenn man denkt- daß die Moralität an den kleinen Universitäten überwiegend sei; der Carabin -(der Medicinbeflissene), der in Paris mit seiner Maitresse, in wilder Ehe-, die Zeit seiner Studienjahre durchlebt , ist weit weniger unmoralisch, als mancher deutsche Student in seinem baechantischen Cölibat. —-

Faßt man übrigens den scharfen Gegensatz ins Auge, der zwischen den beiden Elementen Leipzigs —- der gelehrten und handeltreibenden Stadt —- von jeher bestand, so findet man es erklärlich, daß gerade hier das dritte Element entstehen mußte, in welchem die beiden andern sich begegnen: das buchhänd- «lerische, das literarische Leipzig. Man hat in neuerer Zeit, in Bezug auf Verlagsunternehmungen, Stuttgart eine jüngere Nebenbuhlerin Leipzigs ge- nannt, aber trotz des frischen Unternehmungsgeistes, trotz der mannichfachen, großartigen Institute, wird die erstgenannte Stadt ihre Buchmanufactur doch snie so hoch treiben können, als Leipzig. Jn Stuttgart hat der Ver- lagshandel zufällig sich gestaltet, er geht aus keiner Bedingung der Lo-

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