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JU Ostende sind die Engländer nicht häusig, daher weniger Langeweile und weniger Kosten. Man kann in Ostende für eine weit mäßigere Summe- als selbst in manchen kleinen deutschen Badeörtern, leben. Dieß ist Wahr- scheinlich auch eine der vielen Ursachen, warum dieser Badeplatz jetzt so häu- sig dem früher viel mehr besuchten Bonlogne und Scheveningen vorgezogen wird. Zwei freundliche Zimmer übersteigen kaum den Preis von 3 Franken per Tag, und es gibt deren die noch wohlfeiler sind. Das Frühstück wird von der Hausfrau für eine geringe Vergütung besorgt. Der Mittagstifch an der Table d’Hote gleichfalls zwei bis drei Franken. Bei einem Abonne- ment für die Hälfte. Die Bäder selbst sind beispiellos billig. Ein Abonne- ment für 12 Karten 6 Franken. Dafür erhält man den Wagen der hinein ins Bad fährt, und die gehörige Badewäfche. Diese Badewägen sind ganz praktisch und bequem. Sie sind gewöhnlich für eine Person eingerich- tet, obgleich zwei bis drei darin Raum haben. Das Jnnere derselben ist zu einem freundlichen Stübchen gestaltet , worin Bänke, Spiegel, Tisch und alles was der Badende zu seiner Bequemlichkeit braucht, sich vorfindet. Ein starkes Pferd führt den Wagen tief in die See. Hier hält der Führer in Mitte der Brandung an und der Badegast steigt auf einem Treppchen in das schäumende, freie Element hinab. Frauen lassen sich gewöhnlich von der Bademeisterin führen, die Herren sind sich selbst genug. Das Interes- sante eines solchen Seebades ist, daß Männer und Frauen wie im Para- diese, zu einer Zeit, die noch nicht so raffinirt und verderbt war, im Zustande der Natürlichkeit unter einander baden. Die hübschesten Mädchen zeigen ihre »Formen, in noch weniger als griechischem Costüm, unter Gottes freiem Him- mel, und die Herren begnügen sich nicht immer ausschließlich mit dem groß- artigen Anblick des Meeres.

Jch erinnere hier an eine satvrische Bemerkung der Guepes. Jn Paris sagt Karr gibt es an der Seine kalte Bäder, die seit einigen Jah- ren sehr in die Mode bei den Frauen gekommen sind und noch mehr bei iden jungen Mädchen, die daselbst schwimmen lernen. Jhr Eostüm ist ge- snau dasselbe, wie man es beim Baden im Meere trägt. Nun wohl, unter keinem Vorwande würde man dort gestatten, daß ein Vater seine Tochter, oder ein Mann feine Frau ins Bad begleitete. Ein Mann, dessen Fuß ein solches Badzimmer beträte, würde ein Zetergeschrei hervorlocken von allen Frauen, die daselbst plätscherm Wie ganz anders, welche großartige Frei- heit auf dem Meere! Jn Havre, in Bonlogne, in Ostende, da baden die Frauen öffentlich vor den Augen aller Welt, die am Hafendamm spaziert- im bunten Gemisch mit den Herren-, die von einer einzigen Sehwimmhose bedeckt sind. Kein Mensch entsetzt sich darüber; es muß somit gewiß eine doppelte Art von Schamhaftigkeit geben: eine Süßwasser-Stk2amIM-s«ti«gkeit