Tageburis

Göthe und die Flamäuder.

Kaum haben wir die Uebersetzung des Egmont angekiindigt, da kömmt uns· Von Antwer- spen die Nachricht zu, daß man eine flamändische Uebersetzung des ganzen Göthe beabsichtige. Wir zweislen an der Möglichkeit der Ausführung, und offen gestanden, wir rathen auch nicht dazu. Jede Nation hat gewisse Geister, in welchen sich ihr Erziehungsprozeß spiegelt. Die deutsche Literatur ist an Göthe herangewachsen, und darum interessirt sie Alles, was dieser Geist hervorgesprudelt, seine Sünden wie seine Tugenden, seine Mannheit wie seine Kind- heit. Die Gesamnitwerle Von Göthe haben hunderttausende von Zeilen, die, wenn sie aus einer andern Feder geflossen wären, dem Papierkorbe zugeworfen würden. Aber zur Ge- schichte Göthes, sind sie wichtig! Sie sind nicht das Eigenthum der Poesie, sondern das Ei- genthum der Geschichte, welche die Consequenzen eines ihrer größten geistigen Helden aus seinen Verirrungen studiert. Es sind wichtige Aktenstücke, die seiner Nation angehören. Die flamändische Literatur muß Ganzes, Fertiges übersetzen, aber nicht Archiv-Materialien-. Sie übersetze die Hauptwerke Göthe’s, den Tasso, den Faust, den Götz, den Egmont, die «Wahlverwandschaften, den Meister, Herrmann und Dorothea oc., aber es. wäre unzweckmäßig, ja sogar schädlich, wollte sie alle Religuien, welche die deutsche Pietiit für einen ihrer Hohen- priester aufbewahrt hat, in die Bundeslade ihrer neuauflebenden Literatur als wahre Heilig- thümer au-fstellen. «

Musikalisehe Blasphemie.

Jn Gutzkow’s Telegraph ward über den großen Schöpfer des Don Juan ein Urtheil gefällt, welches bisher noch wenig seines Gleichen hatte. »Bei einer genauen Analhse Von Mo- öktrks Werken« —- heißt es dort-— »und hierunter besonders wieder Von seinen Opern, giebt sich eine dreifache Manier zu erkennen, die wiederum zu einer einzigen in dem Ganzen Vekfchmolzen ist.

Die erste ist diejenige, welche er dem Einflusse Von Zeit und Mitwelt Verdanlt. Wäre Mozart ein freies Genie gewesen, so würde er mit der Tonweise seines Zeitalters Völlig gebrochen haben. Aber dieser Componist stand mit nichten erhaben über dem Geiste Und Geschmacks seiner Zeit. So sind Viele Melodieen seiner Chöre nichts weiter, als der triviale Abdruck damaliger Gegenwart. Jch erinnere nur an den »Figaro,« eine Oper- M Uvch am