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Ein .Wort über das deutsche The-lieu-

(Ein-e Vorlesnng gehalten im— Museum zu Frankfurt.) V o n

Dr. Theodor Creizen;a-ch«.

Als im Jahre 1740 der gelehrte Gottfched den Hanswurst von der leipzigcr Bühne vertrieben hattes, glaubte er, jetzt sei die Zukunft des deut- schen Theaters für alle Zeiten gesichert. Der gute Professor konnte nicht ahnen, daß man noch hundert Jahre später über die- große Frage vom deut- schen Nationaldrama in derselben Ungewißheit sein werde , wie zu seiner Zeit. Woher stammt aber jenes seltsame Verhältnis-, daß nunmehr seit einer Reihe von Jahren unsere Bühne durch- sächsische Hofräthe und Wiener Kappen- macher beherrscht wird , während die gewaltig-sten Poeten in einsiedlerischem Stolze sich zurückgezogen, um nur ihrem Genius und nicht der theatralischen Despotie zu gehorcheu?· Wie kam ess, daß-wir die bitteren Zorneswortke hören mu ten:

ß Der Begeisternng Altäre sind in Dampf gehüllt und-Qualm- Und im Pantheon der Helden singen Pfuscher ihreansalmsz Wo Gestalten schreiten sollten, schweben Schatten leer· und hohl-, Und» der Dichter sagt den Brettern ein entschied’nes.»Lebewohlt —-

Diese sonderbare Disharmonie zwischen den poetischen Kräften und dem theatralischen Erfolg muß einen tiefen Grund in der Zeit und ihren Ver- hältnissen haben, und vielleicht wenn der Urspung deutlich erkannt wird, be- ginnt, für unser Drama eine bessere Zeit. Konnte ja Oedipus die Sphinx nicht eher in den Abgrund stürzen , bis er ihr Räthsel gelöst hatte. Viele Wohlmeinende haben die Veranlassung auf der Oberfläche gesucht, und jede Verschuldung abwechselnd den Direetionen, den Schauspielern oder den Dichtern aufgebürdet. Dieses wäre jedoch eben so wenig passend, als wenn man bei einer schlecht gehenden Uhr das Hinderniß anf dem Zifferblatte suchen wollte. Daß aber mittelmäßige Köpfe oft leichter die Bühne erobern, als große Dichter, daß bei uns Deutschen ein Jmmermann, ein Grabbe, ja selbst ein Uhland vor Töpfer und der sächsischen Prinzessin zurücktreten muß- ten, davon mag die Ursache vielleicht eben in der Natur des poetischen Ta- lentes liegen. Ein ächter Genius muß manche geistigen Kämpfe beste-