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Briefe aus Frankfurt 1.
Die freien Städte. Der Bundestag liberaler als die Stadt. Juden nnd Beisasseu. Zeitungen. Agnes Bernauerin. Drainatiter und Redner.
Das Leben und Treiben in den freien Städten Deutschlands ist gewiß der Auf- merksamkeit dessen würdig, der an den Angelegenheiten Deutschlands ein warmes Jn- teresse nimmt. Gewöhnlich werden ihre Verhältnisse da, wo Von deutschen Zuständen die Rede ist, nur. zu wenig in Erwägung gezogen. Es ist doch wahrlich eine interes- sante Erscheinung in einem Staatenbnnde, dessen Grundprineip, nach den Aussprüchen seiner Grundgesetze, das streng monarchische sein soll, der Art, daß jede Beschränkung der fürstlichen Sonderänität nur als Ausnahme Von der Regel anzusehen ist, vier Städte zu sehen, bedeutend durch ihren Reichthüm, ihre Cultur und ihre Handelshege- monie, welche durch ihr Dasein schon die faktische Geltung jenes Princips in Abrede stellen. Sie strafen das Princip Lügen, daß die Bolts-Souveränität in Deutschland keine Basis haben könne, da in allen vier Städten das- reine demoeratische Element Vor- herrscht. Ju Hamburg besiudet sich sogar die gesetzgebende Gewalt der Art in den Händen des Volks, daß jeder einzelne Bürger seine Stimme zu geben hat. Da ist es nun die Frage: Welche Nüancirung erhalten die deutschen Zustände durch die Existenz dieser politischen Abnormitäten? Wer die Verhältnisse kennt, der »weiß, daß der politi- sche Gesammtzustand Deutschlands dadurch laum berührt wird. Das Handelsinteresse tödtet in diesen Republiken jede andere Tendenz, sobald sie eine mehr als untergeord- nete Geltung anstrebt. Sie sind alle streng deutsch gesinnt, waren vom tödtlichsten Haß gegen die Fremdherrschaft ergriffen, nnd dehnteu die Wirksamkeit dieses Hasses sogar auf den größten Theil der wahrhaft nützlichen und zeitgemäßen Reformen aus, die sie Von der Fremdherrschast überkommen haben. Die Regierungen (nicht die Bürger) dieser Staaten Verhalten sich in Angelegenheiten Von allgemein deutschem Interesse im- mer so passiV, daß man oft mehr die Regierten, als die Regierendeu in ihnen sehen muß. Drei Von diesen Staaten haben überdieß ihre Blicke immer nur nach Außen gerichtet. Frankfurt allein, als Binnenstadt, theilt die Jnteresseu des eigentlichen Deutsch- lands. Allein die Selbsterhaltnng ist eine große Pflicht, zumal in. Handelsstädten,k.,on man« baaren Vortheil liebt! Zudem fühlt sich Frankfurt, als Sitz des Bundes»tages, mit einein gewissen Stolze als den Centralpnult Deutschlands.
Abgesehen Von dem materiellen Vortheil den es ans der Beherbergung einer glän- zenden Diplomatie zieht, hat es auch eine patriotische Motioirnng, jede dem Bundes-